Stell’ dir vor, du bist ein Kleinganove, und dein Drucker verpfeift dich bei den Behörden. Sobald du eine Straftat planst, werden deine Ausdrucke überprüft und können dir zweifelsfrei zugeordnet werden. So oder ähnlich war wahrscheinlich die Projektdefinition, mit der die USA in das neue Jahrtausend gestartet sind. Etwa ab 2002 wurden alle Drucker & Kopierer (diese Begriffe verwende ich in diesem Text synonym, auch wenn ich weiß, dass die Funktionen unterschiedlich sind – das ist hier aber nicht von Bedeutung) standardmäßig mit einer Software ausgerüstet, die das Gerät dazu bringt, seine einzigartige Seriennummer sowie Jahreszahl, Monat, Tag, Stunde und Minute auf das Papier draufzudrucken. Daneben werden alle Aufträge (ewig?) digital gespeichert – indem die Geräte mit einer Festplatte ausgestattet wurden.
Worum handelt es sich bei diesen „tracking dots“ bzw. dem „Machine Identification Code“[1]? Seit mehr als zehn Jahren ist bekannt, dass jeder Kopierer wie auf dem Muster unten winzige hellgelbe Pünktchen (ca. 1/10 Millimeter Durchmesser im Abstand von rund einem Millimeter zueinander) in einer Endlosschleife auf das Papier aufdruckt. Diese werden erst mit dem Mikroskop oder unter bläulichem (weißes Papier reflektiert bläuliches Licht, gelbe Punkte reflektieren anders/gar nicht) Licht sichtbar.[2]
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Die Electronic Frontier Foundation („defending your rights in the digital world“)[3] hat sich die Mühe gemacht und bei einem Xerox-Drucker (Xerox DocuColor) den Code entschlüsselt, wofür die einzelnen Pünktchen stehen. Die Endlosschleife besteht aus 16*8 möglichen Punkten, wovon in bei den Spalten 2-8 Uhrzeit und Datum abgelesen werden können, die Spalten 10-14 stehen für die Seriennummer des Druckers. Die Funktion der Spalte 15 ist unbekannt, möglicherweise gibt sie Aufschluss über Gerätekonfiguration oder sie dient als Prüfziffer.
Die eben erwähnte EFF veröffentlichte auch eine Liste[4] der Geräte, die keine tracking dots zur Rückverfolgung mitdrucken. Dazu gehören (unter anderem) OkiData sowie einige Serien von Samsung und Xerox. Aber Vorsicht: nur weil EFF keine gelben Pünktchen gefunden hat, heißt das noch lange nicht, dass diese Geräte nicht einen anderen, bislang noch unentdeckten Mechanismus verwenden. Xerox beschreibt in seinem Prospekt zum DocuColor 6060: „Das Digitale Farbdrucksystem ist entsprechend den Forderungen zahlreicher Regierungen mit einem fälschungssicheren Kennzeichnungs- und Banknotenerkennungssystem ausgerüstet. Jede Kopie wird mit einer Kennzeichnung versehen, die nötigenfalls die Identifizierung des Drucksystems ermöglicht, mit dem sie erstellt wurde. Dieser Code ist unter normalen Bedingungen nicht sichtbar.“[5]
Jedenfalls ist hierbei kritisch anzumerken, dass vielen Anwendern diese Rückverfolgbarkeit bislang unbekannt war. Es gibt Menschen/Gruppen, deren Arbeit genau darauf aufbaut, nicht persönlich identifizierbar zu sein – und da spreche ich nicht unbedingt von Bargeldfälschern[6]. Es gibt politisch oder journalistisch aktive Personen, denen viel daran liegt, möglichst lange unerkannt tätig werden und etwa Flugblätter verteilen oder geheime Unterlagen weitergeben zu können, ohne befürchten zu müssen, nur aufgrund dämlicher gelber Farbtupfer verhaftet zu werden.
Ich möchte an diesem Punkt die öffentliche Diskussion darüber anstoßen, welche Daten die Geräte über unser Verhalten speichern dürfen (zB. gesetzliche Regelung, dass Datenschutz und Briefgeheimnis dahingehend auszulegen sind, dass es technisch nicht möglich sein darf, den Absender eines ausgedruckten Briefes ohne dessen Einwilligung oder Markierung herauszufinden)[7]. Bei einem obligatorischen Hinweis („Jede Kopie wird entsprechend den Forderungen zahlreicher Regierungen mit einer Kennzeichnung versehen, die nötigenfalls die Identifizierung des Drucksystems ermöglicht, mit dem sie erstellt wurde.“) auf jedem verkauften Gerät könnten jedenfalls politische Autoren diese Gefahr der Entdeckung vermeiden. Jedoch: eine solche öffentliche Diskussion oder eine Kennzeichnungspflicht wird sich gerade in jenen Staaten mit einem repressiven politischen System als schwierig gestalten.
Aufmerksame Leser haben vermutlich bemerkt: ich spreche ständig von der lückenlosen Rückverfolgung zum Käufer – wie soll das denn möglich sein? Nun ja, es betrifft zumindest all jene, die ihr Gerät beim Hersteller registriert haben (Diebstahlsschutz, rasches Service, regelmäßige Updates), diejenigen, die gerne mit Kreditkarte oder online einkaufen sowie Firmenkunden, die die steuerlichen Begünstigungen (Vorsteuerabzug nur mit Rechnung!) nutzen möchten. Ich würde im Umkehrschluss eher fragen: wen betrifft dieses Problem eigentlich nicht?! Wie ich bereits in meinem Beitrag zur geplanten Obsoleszenz[8] beschrieben habe, ist es unbestritten das Ziel der Hersteller, den potenziellen Käufer dazu zu bringen, bereits vor dem Ende der natürlichen Gerätelebensdauer von einer weiteren Nutzung Abstand zu nehmen, etwa durch „überflüssige“ Fehlermeldungen (beispielsweise, dass jetzt unbedingt der Tintenschwamm ausgetauscht werden muss oder dass ein nicht näher definierter Papierstau das Gerät lahmlegt). Ich behaupte an dieser Stelle, dass persönlich identifizierbare Kunden häufiger Fehlermeldungen vorgegaukelt bekommen, eben genau weil man ja weiß, wie es um deren Kontostand und deren Notwendigkeit, einen funktionierenden Drucker daheim zu haben, weiß. Die wenigen bekannteren Hersteller schieben sich gegenseitig die Kunden zu („Haben Sie zuletzt mit dem Gerät von Firma X schlechte Erfahrungen gemacht? Wir haben heute ein Sonderangebot für Sie, inklusive einem kostenlosen Starterpaket neuer Druckerpatronen!“).
Richtig brisant wird die Rückverfolgbarkeit allerdings dann, wenn beispielsweise gefälschte Banknoten in Umlauf gebracht werden, die mit deiner Drucker-Seriennummer versehen sind. Da du der Erstkäufer warst, stehen die Ermittlungsbehörden logischerweise noch am selben Tag auf deiner Türmatte. Dabei hast du den Drucker schon vor langer Zeit weiterverkauft oder in eine Werkstätte zur Reparatur gegeben und nicht mehr wiederbekommen (angeblich kaputt). So entsteht schnell ein dringender Tatverdacht, der sich auch nicht allzu leicht wegbeweisen lassen können wird – denn wer hebt sich schon einen Beleg dafür auf, dass er einen gebrauchten Drucker weiterverkauft?!
Die Politik verabsäumt es schon seit langer Zeit ihre eigenen (vergleichsweise strengen) Regeln in Bezug auf Briefgeheimnis und Datenschutz (es sollte nicht möglich sein, herauszufinden, wer der Absender/Ausdruckende eines Briefes ist, der überdies nicht geöffnet werden darf) effektiv umsetzen zu lassen. Ich möchte mit diesem Beitrag dein Bewusstsein schärfen und teilweise auch auf selbstverschuldete Nachlässigkeit hinweisen. Vielleicht verabsäumt die heimische Politik aber auch bewusst die Rechtsdurchsetzung zum Schutz der Bürger, um den Wünschen der USA zu entsprechen – wer sagt uns, dass TTIP nicht im Grunde auf eine Angleichung der Produktionsabläufe von Elektrogeräten aus ist? Die Amis kontrollieren ja auch sonst gerne alles – man denke etwa an (möglicherweise politisch motivierte) Prozesse gegen Umweltschützer oder Verfechter der Freiheit im Internet (Edward Snowden, Ross Ulbricht).
Ich war mir nicht ganz sicher, ob diese Geschichte mit den winzigen Punkten am Papier stimmt, deswegen habe ich einen Farbdruck (Original orange, markierter Bildausschnitt) von meiner Universität eingescannt (1200 dpi), die Farbtonsättigung „Gelb“ hochgesetzt und den Kontrast erhöht, dabei ist das bläuliche Meisterwerk entstanden.
Für mich sehen die Doppelpunkte im dunkelsten blauen Bereich stark nach einem regelmäßigen Muster aus, aber ich überlasse letztendlich dir die Entscheidung. Egal, ob es nun tatsächlich die marktdurchdringende Rückverfolgungsmöglichkeit bei allen Druckern gibt oder nicht, es ist jedenfalls ein Umdenken erforderlich, denn wir sollten uns nicht von Technik beherrschen & unterdrücken (Unterdrückung im Sinne von: ich weiß, dass ich überwacht werden könnte, also verhalte ich mich anders als geplant) lassen, sondern selbstbestimmt über Tücken informiert werden müssen (verpflichtende Hinweise, wenn unsere Entscheidungsfreiheit eingeschränkt wurde – denn bei mir steht der Wert „Freiheit“ über „Sicherheit“, mit der laufend weltumspannende/ausufernde Spionageprogramme gerechtfertigt werden).
Ich bin durch Tobias Schrödel auf diese Problematik aufmerksam geworden, in einem Youtube-Beitrag[9] erklärt er auch andere interessante Vorkommnisse. Und weil’s gerade so toll war: ich werde bald einen weiteren Beitrag zu Druckern gestalten, wo ich mit intensiver mit dem Kopiervorgang an sich und der internen Festplatte beschäftige sowie den (an und für sich nachfüllbaren) Toner-Kartuschen auf den Zahn fühle.